Die „ach so gut gemeinten“ Ratschläge

Mein Mann und ich sind sehr aktiv auf Facebook. Wir teilen unsere Gedanken, Emotionen und Erlebnisse. Meistens in der Hoffnung, dass andere zum Durchhalten animiert werden oder neue Wege finden.

Doch manchmal kommt es anders.
Da wird mein Mann angeschrieben, privat natürlich, um keine öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und es hagelt Ratschläge.
Ratschläge von Menschen, die nicht Transident sind.
Ratschläge von Menschen, die keine Erfahrung mit den körperlichen oder seelischen Erkrankungen meines Mannes haben.
Ratschläge von Menschen, die sich nur mal im „Internet“ schnell und oberflächlich informiert haben.

„Du hast doch alles, sei doch glücklich“, „Du musst nur mal raus gehen unter Menschen“ , „Das Leben ist schön, freu dich doch“ , „So schwer kann das gar nicht sein“, „Geh doch aus der Öffentlichkeit, dann greift dich keiner an“ … usw usw usw

Ich geh mal darauf ein, wie das ankommt:
„Du hast doch alles, sei doch glücklich“
Nein, er hat nicht alles. Ein grundlegender Teil fehlt. Der Teil heißt Penis und ist einfach noch nicht vorhanden.

„Du musst nur mal raus gehen unter Menschen“
Raus gehen mit einer schweren Depression ist so eine Sache. Mit einem Bandscheibenvorfall und einer chronischen Ischialgie ist das ganze dann noch einfacher ( Sarkasmus)

„Das Leben ist schön, freu dich doch“
Ja, das Leben ist schön, aber eben nur halb. Eingesperrt in einen Körper der nicht zu ihm passt, in eine Welt, die intolerant ist. Bei einem Arbeitgeber, der Sascha bestellt, nur um ihn mal gesehen zu haben. Freakshow. Tolles Leben, wirklich..
Und trotzdem ist er meist positiv. Aber DAS bemerkt natürlich keiner.

„So schwer kann das doch gar nicht sein“
Hast du mal versucht im Schwimmbad in eine Umkleide zu gehen oder in die Gemeinschaftsdusche, wenn dir ein bestimmtes Körpermerkmal fehlt? Oder auf eine Toilette? Haha, das ist nämlich nicht so einfach wie du denkst. Ständig muss Sascha schauen, ob die Umkleiden verschliesbare Türen haben, ob Toiletten Türen haben. Ohne Penis kannst du dich nicht ans Pissuar stellen. Das geht einfach nicht.

„Geh doch aus der Öffentlichkeit, dann greift dich keiner an“
Solange man Transidente Menschen als Makel sieht, müssen sie in die Öffentlichkeit. Sie müssen gesehen und gehört werden, bis das irgendwann normal wird. Irgendwann muss das Stigmata „Freak“ fallen. Und erst dann wird die Welt Menschen die anders sind nicht mehr angreifen.

 

Wenn man aufhört, in eine Schublade zu passen, fangen die guten Ratschläge an.
Und wir, die Partner, dürfen unsere Lieben wieder aufbauen. Weil andere einfach nicht verstehen.
Roger Cicero hatte mal ein tolles Lied. Eine Zeile davon möchte ich euch auf den Weg mitgeben:
„Gute Freunde geben gute Tipps, noch bessere Freunde sagen nichts“

 

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