Es ist so viel passiert

Ich dachte wirklich, es wäre einfacher in einem Blog mein Leben mit meinem Mann zu beschreiben.
Es hat sich jedoch herausgestellt, dass mir einfach nur die Zeit fehlt, regelmäßig einen Beitrag zu schreiben. Und da sagt man immer Rentnerinnen haben Zeit. Haben sie wohl, unter normalen Umständen, auch.
Unser Leben war seit dem letzten Beitrag jedoch alles andere als normal. Wo fang ich nur an?
Das Testogel gab es nicht mehr. Einfach so, Lieferengpass, Produktionsfehler usw. Mein Mann, der ohnehin in einer schweren Depression gefangen war, sackte durch den nun echt nicht mehr messbaren Hormonspiegel ins Bodenlose.
Ein Termin bei der zuständigen Ärztin gab es nicht, weil sie, ebenfalls durch das fehlende Testogel ihrer Patienten, überfüllt war. Da war nicht mal mehr an einen Nottermin zu kommen.
Die Depression verstärkte sich, die Panikattacken kamen häufiger und heftiger und Angstzustände kamen hinzu. Ich habe wirklich hart daran gearbeitet, dass mein Mann nicht komplett zerbricht. Es ist mir auch gelungen.
Doch dann kam Corona.
Ein kleines Wort, dass so viel Angst und Schrecken verbreiten kann. Das so sehr die Geister der Welt trennt tauchte auf.
Natürlich habe ich mich darüber so genau informiert, wie es nur irgendwie möglich war. Und es stellte sich sehr zum Nachteil für uns heraus, dass wir beide zur Hochrisikogruppe gehören. Wir sind beide Lungenkrank, haben einige Autoimmunerkrankungen.
Super, dachte ich ironisch, nu haben wir den Salat.
Und meine schlimmsten Befürchtungen trafen alle ein. Die ganzen Fortschritte, die ich mit der Psyche meines Mannes erreicht habe, waren hinüber.
Wir konnten, wegen der Risiken für uns, nicht mehr schwimmen gehen, was meinem Mann so gut getan hatte. Wir konnten kaum mehr raus. Die Isolation tat ihr übriges.
Alles, wirklich alles, was wir erreicht hatten für ihn, war komplett hinüber.
Mein Mann bekam schon Angstzustände, an schlechten Tagen, wenn wir aus der Haustür raus wollten. Oft konnte er sich nicht überwinden, die Tür auch nur zu öffnen. Allein der Gedanke daran bescherte ihm Herzrasen und Schweißausbrüche. Also musste ich, zum Wohle meines Mannes, nun fast alle Wege alleine erledigen.
Manchmal bekam er heftige Panikattacken. So schlimm, dass der gelegentlich nicht einmal mehr wusste, wo er gerade war oder wie er nach Hause kommt. Ich hab ihn des öfteren von einem Termin unterwegs eingesammelt und nach Hause gebracht. Nach so einer Panikattacke hat er etwa ne Woche gebraucht sich davon zu erholen.
Mein Mann kapselte sich immer weiter von der Umwelt ab und vergaß. Eigentlich nahezu alles, was man vergessen konnte: Arzttermine, Behördentermine, Medikamente, Essen, Trinken, Worte usw.
Manche Dinge oder Gedanken haben ihn so verunsichert, dass alleine diese genügten, dass er zu zittern begann und in Tränen ausbrach.
Er war oft so erschöpft, dass er nicht einmal bemerkte, dass er müde ist. Das ist ein Unterschied Erschöpfung und Müdigkeit. Meistens dämmerte er Tage lang vor sich hin, war geistig oft abwesend und in sich gefangen.
Ich hab ihn täglich zur richtigen Zeit an das erinnert, was gerade nötig war. Ich hab ihn aus dem Bett geholt und ab und an, wenn es seine Seele zugelassen hat, sind wir eine Runde ums Haus gegangen. Anfangs war ihm sogar das zu viel und zehrte an seiner Seele.
Mit der Zeit zehrte das alles auch an meiner eigenen Kraft. Man kann unglaublich viel Kraft haben, wenn man seinem Partner helfen will. Aber auch diese Kraft geht irgendwann dem Ende zu.
So kam es, wie ich es zu verhindern versuchte. Mein Mann bekam Selbstmordgedanken. Und ich hatte nicht mehr genug Energie für uns beide.
Im Januar 2021 ging er freiwillig in die Psychiatrische Klinik weil sonst sicher ein Unglück passiert wäre. Dort wurde mein Mann neu mit Antidepressiva eingestellt. Er bekam noch zusätzlich Medikamente gegen die Panikattacken und Angstzustände und ein Notfallberuhigungsmittel.
Ich durfte ihn nicht besuchen. Nicht weil er in der Psychiatrie war, sondern wegen Corona. Das Risiko für ihn, als Lungenkranker, ist einfach viel zu hoch. So sahen wir uns täglich am Fenster der Klinik und sprachen übers Handy miteinander.
Nach einer Woche durfte oder sollte mein Mann mitten in der Medikamentenumstellung , weil er nicht mehr akut Suizidgefährdet war, nach Hause. Das Bett wurde für die Coronadepressiven gebraucht. Ihm wurde noch gesagt, dass ich seine Entscheidungen nicht mehr treffen sollte, wir einen festen Tagesrhythmus brauchen, er sich einen Therapeuten suchen soll und er nicht mehr so viel schlafen darf.
Zuerst fand ich das alles ziemlich sarkastisch: Unsere Medikamente bestimmen unseren Tagesablauf. Da können wir nicht einfach mal zwei Stunden schieben. Das würde uns den Boden unter den Füßen wegreißen.
Ich hatte die Entscheidungen für ihn getroffen, weil er nicht mehr in der Lage war sich auf eine Entscheidung zu fokussieren. Dann waren es viele Entscheidungen für ihn und die lösten Panik aus.
Wir suchen immer noch einen Therapeuten. Denn dank Corona sind alle Plätze mehr wie belegt.
Tolle Empfehlungen, dachte ich so bei mir. Aber- Ich wollte meinem Mann ja helfen- strukturierte ich weiter unser Leben. Stück für Stück.
Glaubt mir, das war anfangs alles andere als einfach. Aber wir haben es geschafft. Nach wenigen Wochen, hatte wir für nahezu alles feste Zeiten. Zuerst hab ich für alles einen Wecker gestellt: Aufstehen, Medis, Frühstück meines Mannes, meine Medis, Spazieren gehen, Einkaufen, Mittagessen usw. Glaubt mir, der Wecker hat oft geklingelt. Jedoch hat es geholfen. Irgendwann hatten wir die Zeiten verinnerlicht.
Ja auch ich. lach. Nun klingelt noch exakt drei Mal ein Wecker. Und das ist jedes Mal für die Medikamente. Wie oben erwähnt dürfen wir diese nicht schieben.
Noch während dieser Zeit wurde der Spaziergang zur Routine für uns. Dank der Coronabestimmungen dürfen wir, selbst im Lockdown, zur seelischen Erbauung einen Spaziergang machen. Wir müssen nur Abstand zu allen anderen halten. Dank der Angst vor fremden Menschen, die mein Mann entwickelt hatte, war das auch gar kein Problem.
Das Problem bestand eher darin, ihn aus der Wohnung zu bekommen. Und so fingen wir Schritt für Schritt an. Zuerst bis zum Müllraum. Der is ca 20 Meter weg. Das hört sich für euch vielleicht lächerlich an, aber mit einer chronischen Ischialgie, Angstzuständen und Panikattacken ist das für meinen Mann schrecklich gewesen. Stell dir vor, du würdest im schlimmsten Horrorfilm, den du kennst, spazieren gehen müssen. So in etwa war das für ihn.
Nachdem dies ohne Nennenswerte Anfälle ging, sind wir bis zum Ende unseres Wohnblocks gelaufen ( ca 100 Meter) Immer noch kein richtiger Spaziergang, ich weiß. Es war jedoch eine wahnsinnige Anstrengung von Nöten ihn erst einmal bis dahin zu bekommen.
Nach etwa 4 Wochen haben wir es geschafft, dass mein Mann einmal mit mir um den Wohnblock laufen könnte ohne Panik zu bekommen.
Nach etwa 3 Monaten konnten wir endlich in einen Park fahren um dort zu spazieren und die Gegend zu erkunden. Es war oft, sehr oft, sehr angsteinflößend für ihn. Ich war an seiner Seite und hab ihn beruhigt. Und wenn es nötig war, stand ich wie ein Fels zwischen ihm und der Welt um ihm Sicherheit zu vermitteln.
Auch die Empfehlung, dass mein Mann wieder seine Entscheidungen treffen muss, setzte ich Stück für Stück um. Das fing ganz klein an. Für euch Leser sicher lächerlich klein. Doch ich wusste, jede zu große Veränderung würde ihn fertig machen. Bei winzig kleinen bekam er zwar wirklich schlimme Angst, aber er erlebte, dass dies keine Folgen hatte. Zuerst waren das ganz winzige Entscheidungen: Nudeln oder Knödel, Wurst oder Käse, Milch oder Tee?
Erst als mein Mann diese Entscheidungen treffen konnte, ohne zu zittern und ohne dass er schlecht Luft bekam, kam der nächste Schritt. Was soll ich morgen kochen, wo gehen wir hin spazieren, welchen Film schauen wir heute?
Jede Veränderung brauchte Wochen bis sie keine Angst mehr auslöste. Im Sommer waren wir so weit, dass es mein Mann schaffte, mit mir endlich wieder schwimmen zu gehen. Mal ins Freibad, mal an die Donau.
Und es fanden weitere Veränderungen statt. Er schaffte es, Termin zu vereinbaren. Ok, ich saß immer noch daneben, weil ihn das beruhigte. Aber er hat selbst angerufen. Er hat die nötigen Worte dafür gefunden und wenn ich sah, dass er panisch wurde, sagte ich ihm nur, dass ich genau weiß, dass er es schaffen kann.
Was ab September 2021 passierte ist ein neuer Beitrag.

Das letzte Jahr

Um zu erzählen, was im letzten Jahr so alles passiert ist, muss ich etwas in die Vergangenheit gehen.

Wir sind vor fünf Jahren nach Wien gezogen. Sascha wog damals 85 -90 Kilo. Für einen Mann seiner Größe ist das etwas zu viel, aber nicht bedenklich.

Vor dreieinhalb Jahren ist mein Mann gestürzt. Die anschließenden Schmerzen schob damals keiner auf sein Gewicht, sondern auf den Sturz.

Wir liefen von Arzt zu Arzt, wobei keiner sich die Mühe machte, ihn gründlich zu untersuchen. Es gab die unterschiedlichsten Theorien, vom Muskelfaserriss, über eine Sehnendehnung bis hin zur Stauchung war irgendwie alles dabei. In einem Punkt waren sich alle Ärzte einig: „Er muss sich schonen“.

Dreieinhalb Jahre später, wiegt mein Mann 130 Kilo dank des Schonens, konnte kaum noch laufen, vom Stehen, Liegen, Sitzen mal abgesehen, was ihm alles unerträgliche Schmerzen bereitet. An sehr guten Tagen schaffte er den Weg in den Supermarkt der keine 50 Meter weg ist, an schlechten nicht mal am Stück den Weg zur Toilette, die keine 5 meter entfernt ist.

Vor einem Jahr war er deshalb zur Kur und siehe da, die fanden heraus, dass mein Mann einen leichten Bandscheibenvorfall hat und eine chronische Ischialgie.

Und DAS erklärt die Schmerzen. Denn die Bandscheibe ist so blöd gerutscht, dass sie den Ischias in Mitleidenschaft gezogen hat.

Wenn du dir schon einmal einen Nerv entzündet oder geklemmt hast, kannst du dir vorstellen, welche Schmerzen mein Mann seit diesem Sturz Tag für Tag mitmacht.

Endlich eine Diagnose!!!
Einen Bandscheibenvorfall kann man einfach operieren.

PUSTEKUCHEN

Denn nun vor einem Jahr hieß es dann vom Arzt, das liegt ja nur an seinem Gewicht. Dass er die wahnsinnigen Schmerzen vor dem heutigen Gewicht hatte, interessiere die Ärzte nicht.

Und jetzt wird es witzig: Wegen seinem Gewicht soll er spazieren gehen, laufen, sich bewegen. (Er hat den Bandscheibenvorfall und die chronische Ischialgie und die dazu gehörigen Schmerzen immer noch)
Für seine Schmerzen soll er sich aber weiter schonen und zur Infiltration. Infiltration sind Spritzen mit einem Schmerzmittel die genau in die Schmerzpunkte gesetzt werden.

Und für eine OP, die man bei ihm ohnehin nicht so gerne wegen der vorhandenen Krankheiten durchführt, ist er zu dick. Ja, er bekommt sowas knallhart gesagt.

Ich weiß zwar immer noch nicht, was der Bauch mit dem Rücken zu tun hat bei einer Operation, aber die schieben das ja gerne auf das Narkoserisiko.

Und dann kam sie, völlig überraschend und aus heiterem Himmel. Seine aller erste Panikattacke.

Nach den vielen Jahren voller Schmerzen mit einer ohnehin vorhandenen Depression erschlug sie ihm fast. Atemnot, Herzrasen, Schweissausbruch, Todesangst und Todeswillen, Heulkrämpfe, das volle Programm.

Da ich selber unter diesen Dingen leide, wusste ich, was in meinem Mann vorgeht und wie ich ihm helfen kann.

 

Ich hab ihn überredet mit mir zum Psycho-Sozialen-Notdienst zu gehen. Dort wurde ihm zugehört. Dort wurde er zum ersten Mal, außer von mir, ernst genommen. Er bekam einen Termin beim psycho-sozialen Dienst und ist seither dort in Behandlung.

 

Natürlich fiel der Vorschlag einer Klinik, den Sascha aber ablehnte. Alleine der Gedanke, nicht rausgehen zu können, löste in ihm wieder Angst aus. Nach einigen Terminen haben wir gemeinsam beschlossen, dass er einen Verstärker zusätzlich zu seinem Antidepressiva bekommt, in der Hoffnung, dass er wenigstens wieder etwas schlafen kann. Denn durch die Panik schlief er keine zwei Stunden mehr am Stück. Und wider erwarten hat dieser Verstärker versagt.

Er folgte also die zweite Panikattacke. Mein Mann wollte schon abbrechen. Ich überredete ihn, die Therapie weiter zu machen und der Sache Zeit zu geben.

 

Nach seiner dritten und heftigsten Panikattacke war er soweit einem anderen Medikament eine reale Chance zu geben. Seit dem nimmt er es und es geht ihm besser. Die Panik ist erst einmal Vergangenheit und er kann endlich wieder schlafen. Er spricht mit seiner Therapeutin auch über die Schmerzen. Sie nimmt ihn ernst.

 

Nach über drei Jahren waren mir die Ärzte und ihre Aussagen zu blöd, um ehrlich zu sein. Mein Gedanke dahinter: „die doktoren mir meinen Mann kaputt.“

Ich beschloss also, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen.
Es wurde warm und ich begann meinen Mann mitzunehmen. Egal auf welchem Weg ich war. Einkauf, Trafik, Termine überall nahm ich ihn mit. Er hat mir gelegentlich jeden einzelnen Knochen verflucht.

 

Aber ich gab ihm Ziele. „Bis zur Unterführung, komm das schaffst du…“ (von der Haustür vielleicht 20 Meter) oder: „Am Poller kannst dich ausruhen..“ (meistens irgendwas zwischen 5 und 20 Meter entfernt), oder: „schau mal, da vorne ist ne Bank, da setzen wir uns und rauchen gemütlich eine“ (30 Meter)
Seine Ziele waren immer seinem Schmerzgrad angepasst. Und im Grunde immer nur fünf Schritte weiter, als er dachte er könnte gehen.

 

Und der Erfolg stellt sich ein. Langsam, Stück für Stück. Zuerst schaffte er es bis zur Unterführung ohne Schmerz, dann bis in den Supermarkt, dann bis zum Arzt, danach bis zu Trafik. Mittlerweile schafft er es IMMER von der Busstation bis nach Hause ohne Pause.

 

Wie wir das erreicht hatten, hab ich ihn daran erinnert, dass er versprochen hatte, mit mir schwimmen zu gehen. Ich hab ihm auch gesagt, dass er ja weiß, dass er da nicht viel laufen muss, und das Wasser seinem Rücken gut tun wird.
Und wie mein Mann so ist: „Ein Versprechen wird gehalten, komme was wolle“, gingen wir ins Schwimmbad.

 

Noch in den Nachwirkungen seiner Panikattacken war ihm nicht ganz wohl dabei. Aber ich forderte ihn, ich sagte ihm immer wieder, wie gut er das macht.
Keiner schaute uns blöd an, keiner kommentierte etwas. Und seine Angst fiel ab. (ein nicht von der Hand zu weisender Vorteil war meine Angst vorm tiefen Wasser) Er dachte nun, er müsse mir helfen meine Angst zu überwinden, und vergaß darüber glatt seine eigene Angst 😀

 

Von da an gingen wir verschiedene kostenlose Bademöglichkeiten ansehen. Das Kaiserwasser wurde unser Lieblingsort. Wenige Menschen, das Wasser so klar und sauber, dass da Wasserrosen wachsen und Fische drin schwimmen. Man kann sehr weit hinein laufen. Wir kauften einen kleinen Wasserball. Den hatten wir ab da auch immer mit. Das Springen im Wasser tat seinem Rücken gut. Das „schweben“, so nenn ich das wenn du einfach nur ohne jede Bewegung im Wasser liegst und dich treiben lässt, hat ihn entspannt. Das Schwimmen selbst hat seine sehr vernachlässigten Muskeln gestärkt.

 

Irgendwann erzählte Sascha der Ärztin beim Infiltrieren, dass wir nun oft schwimmen. Und siehe da, auf einmal kam: „tun Sie das, das ist gut für Sie“
Ach nee, das kann man uns vorher nicht sagen????

 

Und dann sah ich ein kleines Wunder. Nach all der Scheu vor Menschen, die er durch das lange zu Hause sein entwickelt hatte, sprach er mit jemandem. Ich muss immer noch lächeln, wenn ich daran denke.

 

Jetzt, nach sechs Monaten, sind die Erfolge die mein Mann für seine Gesundheit und seine Psyche erzielt, selbst für ihn nicht mehr zu übersehen.

 

Ich hab uns im Fitnesstudio angemeldet, wo wir nun drei Mal die Woche hingehen. Wir stärken seine Muskeln und bauen sie wieder auf. Sein erstes Ziel: Im Winter mit mir übern Christmarkt zu gehen, ohne dass er ständigen Pausen braucht und ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen!!

Eure Kerstin

Wie die Zeit vergeht

Etwas über ein Jahr ist es nun her, dass ich einen Beitrag geschrieben habe. Eine lange und, für mich und meinen Mann, sehr turbulente Zeit.

Das Testogel, das mein Mann bekam, wurde lange Zeit nicht hergestellt. Einen Termin bei der Endokrinologin war nicht zu bekommen; was im Klartext heißt:

Mein Mann lebte eineinhalb Jahre ohne zusätzliches Testosteron!!!!

Das hatte Auswirkungen von ungeahntem Ausmaß.

Zuerst bemerkte ich, dass er immer ruhiger wurde. Er, der nie weinte, bekam nach einiger Zeit „Heulanfälle“. Einfach so und aus heiterem Himmel. Eben noch alles gut, im nächsten Moment brach die Welt zusammen, nur um fünf Minuten später wieder völlig der alte zu sein.

Ja, das ist eine Depression. Ich weiß das, er hat schon viele Jahre eine. Aber der Mangel an Testosteron hat diese Depression auf eine Art verstärkt, dass mein Mann oft nicht einmal mehr denken konnte.

Im Laufe dieses Jahres hatte er drei, wie der Psychiater sagte, schwere Panikattacken. Er kam gar nicht mehr aus dem Haus. Ich kenne Panikattacken von mir selbst und die sind alles, aber nicht schön.

Sie sind nicht nur seelisch sehr belastend, sondern auch körperlich extrem anstrengend. Wenn du nicht weißt, wie so eine Panikattacke sich anfühlt habe

ich ein Beispiel für dich:
Stell dir einfach vor du bist der Hauptakteur in dem schlimmsten, gefährlichsten und blutigsten Horrorfilm den du kennst. Genau so fühlt sich eine Panikattacke in der normalen Welt an.

Mein Mann brauchte die Hilfe einer Psychiaterin und meine. Ich nahm ihm vieles ab, weil er einfach nicht in der Lage war, zu verstehen, dass diese Welt nicht gefährlich ist. Mit der Psychiaterin habe ich zusammen geschaut, wie wir meinen Mann am besten unterstützen konnten. Keine von uns beiden kam die Idee, dass es am Testosteron liegen könnte.

Er bekam ein zusätzliches Medikament, einen sogenannten Verstärker für Antidepressiva ( die er ja schon lange nimmt ), was ihm nicht wirklich half. Sascha wollte die Therapie bereits abbrechen, weil er dachte, es gibt nichts was ihm helfen könnte. Ich musste ihn überreden, einem anderen Medikament zumindest eine Chance zu geben. So bekam er Trittiko, was tatsächlich dafür sorgte, dass mein Mann endlich einmal schlafen konnte.

Solche Verstärker wirken auch auf den nächsten Tag noch.

Dank dieses Mittels war ich nun endlich in der Lage meinem Mann zu helfen. Ich überredete ihn, mit mir schwimmen zu gehen, weil das seinem geplagten Rücken gut tun würde. Wir waren nun zwei Monate regelmäßig schwimmen. Am Ende freue er sich darauf und konnte sich sogar ein wenig mit anderen Menschen unterhalten. Ein wahnsinns Fortschritt.

Wie komm ich persönlich nun darauf, dass all das durch das fehlende Testosteron ausgelöst wurde?

Eigentlich ganz einfach:
Das Testogel wird wieder hergestellt, mein Mann bekommt es wieder. Und schon nach 2!!!! Mal schmieren ist er wieder fast der alte. Er hat wieder Freude daran raus zu gehen, macht seine Termine wieder alleine und geht sogar jetzt mit mir ins Fitnessstudio.

Da sieht man einmal was Hormone für Auswirkungen haben können…

In einigen Tagen werde ich euch berichten, was wir sonst noch erlebt haben…

Die Hysterektomie

 

Eine Hysterektomie ist einfach ausgedrückt die Entfernung der Gebärmutter. Da bei Transgendern allerdings vorgeschrieben ist, dass sie zeugungsunfähig und gebärunfähig werden, werden ebenfalls die Eierstöcke und Eileiter entfernt.
Einfach erklärt wird die Gebärmutter von der Blutversorgung getrennt. Diese Adern werden verödet. Dann werden Sehen und Bänder getrennt bis schlussendlich die Gebärmutter entfernt werden kann. Ebenfalls wird bei Transgendern der Muttermund entfernt. Dies ist anders, wie bei Eingriffen, die medizinisch für Frauen erfolgen müssen. Bei Cis-Frauen besteht immer die Möglichkeit, den Muttermund an Ort und Stelle zu belassen.

Eine Hysterektomie kann auf drei Arten erfolgen.
1. Entfernung über die Vagina
Bei der vaginalen Hysterektomie wird die Gebärmutter über die Scheide entfernt. Das erspart einen Bauchschnitt. Damit sinkt das Risiko einer Infektion gegenüber einer Hysterektomie mittels Bauchschnitt. Jedoch gibt es das Risiko, dass umliegende Organe wie Darm und Blase verletzt werden.
2. Entfernung mittels Bauchschnitt
Hierbei wird ein Bauchschnitt gemacht der meistens etwas größer ist. Der Vorteil liegt klar in der Tatsache, dass man alle umliegenden Organe sehen kann und damit das Verletzungsrisiko dieser geringer ist. Nachteilig ist das erhöhte Infektionsrisiko zu nennen und die länger Abheilungszeit der Wunde.
3. Entfernung per Microchirugie
Hier werden winzige chirurgische Instrumente mittels kleiner Bauchschnitte, die meistens nur ein bis zwei Zentimeter groß sind, in den Bauch eingeführt und die Hysterektomie damit durchgeführt. Die Abheilung ist schneller wie beim Bauchschnitt, dauert aber länger wie bei der vaginalen Methode. Hier ist das Risiko ebenso vorhanden, dass die umliegenden Organe wie Blase und Darm verletzt werden.

Welche Methode Anwendung findet, wird der zuständige Chirurg entscheiden. Diese Entscheidung ist von einigen Faktoren abhängig. Hast du schon Kinder? Oder keine? Ist deine Scheide sehr eng? Bist du sehr übergewichtig? Oder sehr dünn? Hast du Erkrankungen?
All diese Fragen wird der Chirurg bei der Entscheidung einbeziehen.

Eventuell wird er während der Operation noch eine andere Methode nutzen, weil die ursprünglich angedachte nicht ausreichend machbar ist oder andere Komplikationen aufgetreten sind.
Dies war bei Sascha der Fall. Angedacht war eine Microchirugie. Da aber bei dieser Operation erst erkannt wurde, dass Sascha Archalasie hat, war sein Leben bedroht und es wurde die Operation mittels Bauchschnitt schnell beendet. Einmal angefangen lässt sie sich nämlich nicht einfach so abbrechen. Wie erwähnt, werden Adern abgetrennt. Bei einem Abbruch würde der Patient verbluten. Also wird sie im Fall einer Komplikation meistens beendet oder zumindest die Adern verödet.
Für euch eine Randerklärung: Eine Archalasie ist eine mangelnde Verschliesung des Magens. Es läuft immer wieder Magensäure in den Hals, was eine Intubation dann schwierig macht und der Patient keine Luft mehr bekommt. Durch die Lage bei dieser Operation ( der Oberkörper liegt tiefer wie der Unterkörper ) kam es zu diesen Komplikationen bei meinem Mann. Keiner wusste vorher, dass Sascha diese Erkrankung hat. Bei allen anderen Operationen liegt man nämlich normal 😀

Grundsätzlich kann es zu Nachblutungen kommen, Wundheilungsstörungen, Infektionen, Verletzungen der umliegenden Organe.

Ihr werdet mit Drainagen wach werden, die das Blut ablaufen lassen. Diese sind sinnvoll, weil sich sonst das Blut im Bauchraum sammelt. Anhand der Blutmenge in dem Drainagebeutel erkennen die Ärzte auch, ob es schwere Nachblutungen gibt oder ob alles gut heilt. So einfach in den Bauch schauen geht ja nicht .

Nach der Operation sollte der Unterbauch drei bis vier Wochen nicht belastet werden. Körperliche Anstrengungen sind unbedingt zu vermeiden. Auch Sex ist erst einmal tabu. Jede zu heftige Anstrengung kann die verödeten Adern reißen lassen. Also haltet euch unbedingt an die Anweisung des Arztes.

Duschen wird zumindest bei der Microchirugie und beim Bauchschnitt erst einmal genauso tabu sein wie baden. Wie bei der Mastektomie können dadurch Microkeime in die Wundfläche kommen und für Entzündungen sorgen und eine schlechte Wundheilung. Kümmert euch sorgfältig und gut um die Wunde und versorgt sie nach Anweisung des Arztes. Alle paar Tage solltet ihr den Hausarzt darauf schauen lassen, damit keine Entzündungen entstehen. Eine leichte Entzündung kann der Hausarzt behandeln.

Wie bei der Mastektomie solltet ihr die Narbe pflegen. Cremt sie nach der Abheilung ein und massiert sie vorsichtig. Damit das Gewebe weich wird und nicht verhärtet.

Das Gelbkörperhormon, das eure Periode verhindert, braucht ihr nun nicht mehr. Ein Medikament weniger auf eurer Liste und ein Schritt näher für euch auf dem Weg zum richtigen Körper.

Was können wir Partner tun?
Als erstes und wichtigstes: Seid, wenn es euch auch nur irgendwie möglich ist, da wenn euer Partner wach wird. Nichts ist schöner wenn man aus der Narkose wach wird und ein geliebtes Gesicht sieht.
Fragt den Arzt, was genau gemacht wurde. Gab es Komplikationen? Musst du auf irgendwas achten? Ich denke, dass wir uns nicht direkt auf den Bauch unseres Partner werfen ist logisch. Wie verlief die Operation? Hat er alles gut überstanden?
Lasst euch erklären,wie viel Blut in dem Drainagebeutel normal ist und was wird gemacht wenn zu viel Blut drin ist. Wann werden die Schläuche gezogen? Wie wird die Wunde versorgt? Wie wird der Verband gewechselt? Wie oft muss dein Partner danach zum Arzt? Wann wird der Partner wie belastbar sein?
All diese Fragen wird dein Partner nicht stellen können. Entweder er ist noch KO von der OP, oder aber zu happy um darüber nachzudenken.
Wir sind nach der Operation das Gehirn unseres Partners. Zur Not schreiben wir uns alles auf.
Wichtig ist, dass wir dafür sorgen, dass unser Partner sich an die ärztliche Anweisung hält. So ist die Beste Heilungschance vorhanden.

 

 

Die Mastektomie

Bisher habe ich euch noch nichts davon erzählt, was so bei den OPs unserer Partner passiert.

Ich denke, für MzF übernimmt das Christin bei ihrem Blog ganz gut.

Sascha unterzog sich vor nunmehr einem Jahr einer Mastektomie.
Auf gut deutsch: Entfernung der Brust.
Theoretisch sollte das Bedeuten, dass die weibliche Brust so abgenommen bzw verkleinert wird, dass sie der männlichen Brust so gut angegeglichen ist, wie es nur möglich erscheint.
Das Drüsengewebe wird komplett entfernt, denn schliesslich wird ein Mann kaum ein Baby stillen. Das Fettgewebe wird soweit reduziert, dass es einer männlichen Brust entspricht. Eventuell werden die Warzenhöfe und die Brustwarze verkleinert und der Hautmantel wird angepasst und gestrafft.

Es sind verschiedene Schnitte möglich und die Technik wird der Beschaffenheit der noch weiblichen Brust angepasst. Für kleine Brüste genügt oft ein Schnitt rund um den Warzenhof. Für größere Brüste mag ein Unterbrustschnitt oder ein T-Schnitt notwendig werden.

Im Idealfall wird man die Brustwarze und den Hof an den dazu gehörigen Nerven belassen und so versetzen, dass es, nach der oben genannten Entfernung, männlicher aussieht. Der Vorteil dieser Methode liegt klar darin, dass das Gefühl und die Sensibilität der Brustwarze zum großen Teil erhalten bleibt.
Im anderen Fall, so war es auch bei meinem Mann, wird die Warze inklusive Warzenhof abgeschält und wieder an anderer Stelle aufgeklebt. Diese wächst dann an der neuen Stelle an und wird vom umliegenden Gewebe versorgt. Der Nachteil ist eindeutig im Verlust der Sensibilität. Mittlerweile spürt Sascha die Berührungen wieder, aber erregbar ist er nicht mehr an dieser Stelle. Im Vergleich dazu, hat früher eine kurze Berührung der Brustwarzen genügt um ihn höchst zu erregen.

 

Solange man im Spital ist, wird ein täglicher Verbandswechsel durchgeführt.
Unter dem Verband liegt eine Schicht Fettgaze, die verhindert, dass der Verbandswechsel weh tut und die neuen Wunden nicht aufreißen. Das macht viel Sinn, denn Narben werden oft auf Dauer hart und unangenehm. Aufgeklebte Warzen bleiben auch am Platz.
Der Verbandswechsel dient in erster Linie dazu, zu kontrollieren ob es Nachblutungen gibt und alles gut verheilt.

Nach der Entlassung solltest du diese Verbandswechsel unbedingt täglich machen, mit neuer Fettgaze. Und alle paar Tage vom Arzt kontrollieren lassen. Das kann der Hausarzt tun. Auch er kennt sich mit Wundheilung aus und wird entsprechendes in die Wege leiten, falls es nicht ordnungsgemäß abheilen sollte.

Falls man Blutergüsse sieht, kann man in der Anfangszeit unbesorgt sein. Diese sind normal. Sie werden wie normale blaue Flecken abheilen.
Nach der Operation sind auch Schmerzen normal. Man sollte nicht unnötig leiden und sich auch schon nach der OP Schmerzmittel geben lassen. Die innere Wunde ist um einiges größer wie die Naht die man äußerlich sieht und wird dementsprechend weh tun. Diese Schmerzen werden nach und nach langsam nachlassen. Und sollten etwa nach einem Monat kaum mehr spürbar sein.

Belasten sollte man in der ersten Zeit (etwa 4-6 Wochen) weder die Arme sonderlich noch den Rücken. Alles was auf die Brust geht, sollte vermieden werden. Zu viel Belastung kann dafür sorgen, dass die sorgfältig genähten Wunden aufreißen und später hinaus die Schmerzen unerträglich werden. Das will keiner, also sollte man dem Körper die nötige Zeit der Heilung lassen.

Duschen sollte man in dieser Zeit allerdings nicht. Solange die Haut nicht völlig abgeheilt ist, besteht immer ein großes Infektionsrisiko, da auch Mikropartikel der Haut, des Duschgels, der Seife und ähnliches in die Wunde kommen kann. All diese können eine Heilung verlangsamen oder sogar zu Entzündungen führen.

Duschen und Baden sollte man wirklich erst, wenn es der Arzt erlaubt.
Die Fäden sollten dann gezogen werden, wenn der Arzt es rät. Belässt man sie zu lange darin, werden sie mit der Haut verwachsen, was äußerst schmerzhaft beim ziehen werden kann und für neue Wunden sorgt, zieht man sie zu früh, kann die Wunde wieder aufreißen.

Wenn die Wunde soweit gut heilt, wird später ein Kompressionshemd oder ein Kompressionsbolero verschrieben, die man unbedingt nach Anweisung des Arztes tragen sollte. Das sorgt nämlich für eine bessere Heilung und für eine bessere Blutversorgung. Wer schon einmal Kompressionsstrümpfe getragen hat, weiß die Vorteile einer Kompression durchaus zu schätzen.
Während der Zeit sollte man unbedingt die Narbe täglich eincremen und massieren, damit diese elastisch und weich wird, wie das normale Gewebe. Im Laufe der Jahre verblasst die Narbe sicherlich.
Bei meinem Mann ist das eher unwahrscheinlich, dass er zu einer schlechten Narbenheilung neigt.

 

Was kann noch passieren?
Grundsätzlich wird man von seinem Chirurgen aufgeklärt welche Risiken diese Operation mit sich bringt.

Blutergüsse sind völlig normal und stellen kein Risiko dar, solange sie nach der Operation auftreten. Man wird Drainageschläuche haben. Mit einer Hämatomsalbe heilen sie etwas schneller ab. Gut ist der Druckverband nach der OP, da er die Hämatome minimiert. Wo wenig Platz ist, kann sich wenig ausbreiten.

Eine versetzte Brustwarze kann absterben. Das kommt vor und ist nicht wirklich schön. Nekrotisches Gewebe muss entfernt werden, da es sich sonst auf das umliegende Gewebe ausbreitet. Es kommt selten vor, aber es kommt vor. Zur Not kann man sich nach der Abheilung eine Brustwarze tattowieren lassen, wenn man nicht ohne herum laufen will.

Wie oben bereits beschrieben, kann die Sensibilität bis hin zum völligen Verlust des Gefühls eingeschränkt werden. Das ist unschön, wenn man dadurch sehr erregbar war. Man kann dann nur hoffen, dass sie im Laufe der Zeit zurück kommt. Was aber nicht oft der Fall ist.

Das Narbengewebe ist meistens heller wie das umliegende. Das kann störend sein, vor allem wenn die Narbe sehr groß ist, wie beim Unterbrustschnitt oder beim T-Schnitt. Oft gleicht sich die Haut an, aber nicht exakt. Auch hier kann eine Tättowierung Abhilfe schaffen. Ich selber bin tättowiert und sage euch: Ein Tattoo auf einer Narbe wird echt wirklich schrechlich weh tun. Man sollte wirklich überlegen ob man sich dieser Tortur unterziehen mag.

Es können Asymmetrien entstehen. Sowohl in der Brustform als auch im Narbengewebe. Abhilfe schafft hier eine zweite OP, die dieses ausgleichen und anpassen wird.

Weiter können Infektionen und Entzündungen auftreten. Was aber eher selten ist, wenn man sich genau an die Anweisung des Arztes hält und die ersten Wochen lieber einmal zu viel wie einmal zu wenig den Arzt aufsucht.

 

Soweit das medizinische..
Eine Form von Eitelkeit wird auftreten, die wir von unseren Partnern nicht kennen. Wo sich unsere Frau nicht im Spiegel ansehen mag, weil Brüste stören im männlichen Bild, wird unser Mann nun oft vorm Spiegel stehen und bewundern, was der Chirurg doch alles getan hat um sein Leben zu erleichtern. Mann wird sich neue Shirts kaufen, da die alten nun nicht mehr passend erscheinen. Das ist ok. Nun gibts keine Brust mehr, die man verstecken müsste.

Wie können wir unseren Partner helfen?
Zu aller erst sollten wir uns über die Operationen erkundigen.
Welche Methoden gibt es und was ist bei unserem Partner möglich?
Was wird genau gemacht?
Was wird davor gebraucht?
Was danach?
Was ist, wenn was schief geht?
Kommt der Chirurg mit den anderen gesundheitlichen Besonderheiten, soweit vorhanden, unserers Partners klar?
Welche Chirurgen kommen in Frage?
Wie sind die Rezessionen der Chirurgen?

Ein guter Arzt wird deinen Partner untersuchen, ihn ausfragen und ihm alle Möglichkeiten und Risiken genau erklären. Geh mit deinem Partner. Denn der ist so aufgeregt, dass er sich wohl nur die Hälfte der Informationen merken kann. Außerdem solltest du schon wissen, was genau passiert.

Frag dem Arzt Löcher in den Bauch. Als ich zu einem Beratungsgespräch mit war, war der Arzt erstaunt über meine Fragen. Aber er hat mir jede einzelne beantwortet. Nur meinte er, dass die meisten gar keine Fragen stellen. Also frag, was immer du wissen willst. Es wird dir bei deiner Seelenruhe helfen. Und Wissen kann nie falsch sein.

Nimm nicht den erstbesten Arzt. Höre dir alle an, die du hören magst. Du musst zusammen mit deinem Partner entscheiden können. Das könnt ihr nur, wenn ihr eine Auswahl habt. Dein Partner wird langsam ungeduldig sein und am liebsten den ersten nehmen. Überzeuge ihn, dass er den besten nehmen sollte. Den, dem ihr beide vertraut. Immerhin liegt die Zukunft deines Partners in den Händen des Chirurgen.

Eine befreundete MzF war sehr ungeduldig, weil der OP-Termin noch Monate dauerte. Sie hatte sich schon bei anderen Chirurgen erkundigt und sich eine Frau ausgesucht. Ich habe mich dann über diese Frau im Netz erkundigt. Mir wurde schlagartig klar, warum es bei ihr so schnell einen Termin gab. Ich rief Christin von dieser Frau ab und bat sie auf den Termin in München-Bogenhausen zu warten. Mir zu Liebe tat sie es und ist nun superglücklich.

Ich generell würde München-Bogenhausen empfehlen, weil die Chirurgen da wirklich Ahnung haben, von dem was sie da machen. Sie sind erfahrener wie andere. Ja, einen Termin zu bekommen dauert. Aber für Christin war es diese Warterei wert.
Ich hab den Doktor da Fragen gestellt über den Penoidaufbau, auf die sind andere noch nicht gekommen. Und er hat mir jede einzelne beantwortet. Er konnte mir erklären, welche Flüssigkeit in der Pumpe ist, was passiert wenn die austritt usw. Gedanken, die sich unsere Partner nicht machen. Ebenso hat er uns ein Video sehen lassen, das uns genau zeigt, wie der Penoid gemacht wird.
Wir waren ebenfalls in Mannheim, Frankfurt und Berlin. Jedoch haben wir uns für München-Bogenhausen entschieden für den Penoidaufbau. Da wir seit Jahren in Wien leben, wurde die Mastektomie und die Hysterektomie hier gemacht.

 

Sei für deinen Partner da. Er wird nervöser je näher der Tag kommt. Manchmal will er auch alles hinwerfen weil es so lange dauert. Beruhige ihn. Erkläre ihm, dass es nach der OP gut aussehen soll und es die Wartezeit sicher wert ist.

Sorge gemeinsam mit ihm dafür, dass alle notwendigen Papiere vorhanden sind und die nötigen Untersuchungen zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt werden. Es müssen Bewilligungen angefordert und eingereicht werden, Blutuntersuchungen gemacht und Befunde bestellt werden. Und noch einiges mehr. Bürokratie darf in der Medizin eben auch nicht fehlen.

Am Operationstag solltest du nach Möglichkeit da sein, wenn er aufwacht. Nichts ist schöner, als die geliebte Person zu sehen, wenn man aus der Narkose erwacht. Das zeigt unserem Partner auch, dass wir es wichtig finden, was mit ihm passiert und wie er sich fühlt.

Frag den Arzt wie die Op gelaufen ist. Dein Partner war zwar dabei, aber wird dir keine Auskunft geben können. Und lass dich nicht abspeisen. Frag ihn und erwarte genaue Auskunft. Wenn es Komplikationen gab, ist kurz nach der OP nämlich der beste Zeitpunkt darauf einzugehen.

Lass dir die Wundversorgung zeigen. Du wirst deinem Partner zu Hause helfen müssen bei der Wundversorgung und dem Verbandswechsel. Lass es dir so oft zeigen und übe unter Aufsicht der Schwestern oder des Arztes bis es gut geht. Die Wundversorgung ist wichtig und durch die Schmerzen nach der OP wird dein Partner es die erste Zeit nicht gut selber machen können.

Sei stolz auf ihn. Es ist eine Tortur, bis alles abgeheilt ist. Und er nimmt diese in Kauf bis er im richtigen Körper angekommen ist.

Lass dir den neuen Brustkorb zeigen. Anfassen wirst du ihn  eine Weile nicht dürfen. Aber du kannst ihn bewundern. Ich tat es und tu es heut noch ab und zu. Hilf ihm den Brustkorb zu sehen. Die Veränderung ist enorm. Außerdem wird es ihm und seiner Seele gut tun, wenn es dir aufrichtig gefällt. Er bringt deinen Partner ein Stück weiter Richtung Ziel.

Nimm deinem Partner die ersten Wochen alles ab, was auf Rücken und Arme geht. Er ist nur sehr eingeschränkt belastbar. Auch wird er die Arme nicht so heben können wie ihr es gewohnt seid. Er braucht Ruhe und Zeit für die Heilung und die sollten wir Partner ihnen verschaffen.

Geh mit ihm einkaufen 😀
Nichts macht einen FzM stolzer wie tolle Shirts, Hemden und Kravatten. Je nachdem, was er gerne trägt. Er muss nun keine Brust mehr verstecken. Also werden die alten Klamotten nicht mehr richtig passen. Sucht zusammen ein paar Teile raus, die euch gefallen. Er wird sie mit Stolz tragen.

Gemeinsam schafft ihr das.

 

 

 

Die „ach so gut gemeinten“ Ratschläge

Mein Mann und ich sind sehr aktiv auf Facebook. Wir teilen unsere Gedanken, Emotionen und Erlebnisse. Meistens in der Hoffnung, dass andere zum Durchhalten animiert werden oder neue Wege finden.

Doch manchmal kommt es anders.
Da wird mein Mann angeschrieben, privat natürlich, um keine öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und es hagelt Ratschläge.
Ratschläge von Menschen, die nicht Transident sind.
Ratschläge von Menschen, die keine Erfahrung mit den körperlichen oder seelischen Erkrankungen meines Mannes haben.
Ratschläge von Menschen, die sich nur mal im „Internet“ schnell und oberflächlich informiert haben.

„Du hast doch alles, sei doch glücklich“, „Du musst nur mal raus gehen unter Menschen“ , „Das Leben ist schön, freu dich doch“ , „So schwer kann das gar nicht sein“, „Geh doch aus der Öffentlichkeit, dann greift dich keiner an“ … usw usw usw

Ich geh mal darauf ein, wie das ankommt:
„Du hast doch alles, sei doch glücklich“
Nein, er hat nicht alles. Ein grundlegender Teil fehlt. Der Teil heißt Penis und ist einfach noch nicht vorhanden.

„Du musst nur mal raus gehen unter Menschen“
Raus gehen mit einer schweren Depression ist so eine Sache. Mit einem Bandscheibenvorfall und einer chronischen Ischialgie ist das ganze dann noch einfacher ( Sarkasmus)

„Das Leben ist schön, freu dich doch“
Ja, das Leben ist schön, aber eben nur halb. Eingesperrt in einen Körper der nicht zu ihm passt, in eine Welt, die intolerant ist. Bei einem Arbeitgeber, der Sascha bestellt, nur um ihn mal gesehen zu haben. Freakshow. Tolles Leben, wirklich..
Und trotzdem ist er meist positiv. Aber DAS bemerkt natürlich keiner.

„So schwer kann das doch gar nicht sein“
Hast du mal versucht im Schwimmbad in eine Umkleide zu gehen oder in die Gemeinschaftsdusche, wenn dir ein bestimmtes Körpermerkmal fehlt? Oder auf eine Toilette? Haha, das ist nämlich nicht so einfach wie du denkst. Ständig muss Sascha schauen, ob die Umkleiden verschliesbare Türen haben, ob Toiletten Türen haben. Ohne Penis kannst du dich nicht ans Pissuar stellen. Das geht einfach nicht.

„Geh doch aus der Öffentlichkeit, dann greift dich keiner an“
Solange man Transidente Menschen als Makel sieht, müssen sie in die Öffentlichkeit. Sie müssen gesehen und gehört werden, bis das irgendwann normal wird. Irgendwann muss das Stigmata „Freak“ fallen. Und erst dann wird die Welt Menschen die anders sind nicht mehr angreifen.

 

Wenn man aufhört, in eine Schublade zu passen, fangen die guten Ratschläge an.
Und wir, die Partner, dürfen unsere Lieben wieder aufbauen. Weil andere einfach nicht verstehen.
Roger Cicero hatte mal ein tolles Lied. Eine Zeile davon möchte ich euch auf den Weg mitgeben:
„Gute Freunde geben gute Tipps, noch bessere Freunde sagen nichts“

 

Und mit Anlauf wieder auf die Fresse bekommen

Vor einigen Wochen wurde mein Mann aufs AMS bestellt. Es wurde ihm tatsächlich angeboten in einem Arbeitsprogramm für seelisch kranke Menschen teil zu nehmen. Es gibt Firmen in Wien, die Erfahrung mit Depressionen, Angstzuständen, Panikattacken usw haben. Diese Firmen haben keine Scheu Menschen die unter psychischen Erkrankungen leiden einzustellen. Und ja, jene stellen ein. Nicht als Leiharbeiter, nicht als Eurojobber, sondern tatsächlich. So richtig mit Arbeitvertrag, anständigem Lohn und allem, was dazu gehört. Eine davon ist ein Catering Unternehmen. Und zu dem sollte Sascha hin. Die Firme bietet noch mehr Arbeit als reines Catering. Fahrdienste, Reinigung und Büroarbeit zusätzlich zum Catering.

Und wir dachten: Endlich! Eine reelle Chance für meinen Mann in Arbeit zu kommen. Endlich jemand, der versteht, dass er schlechte und ganz schlechte Tage haben kann. Endlich jemand, der auch die guten Tage sieht. Jemand, der erkennt, dass man manchmal nicht kann wie man will. Endlich ARBEIT!!!

Wir waren nervös, als der Vorstellungstermin näher rückte. Das könnt ihr euch sicher vorstellen.
Als der Tag da war, bekam er mal wieder einen Tritt. Einen, den ich bis hier her fühlte. Er wurde nicht eingestellt.

An für sich ist das schon schlimm genug. Aber die Begründung hat mir persönlich einen Tiefschlag verpasst. Es tat mir so derbe weh.

„Ich weiß nicht, in welche Umkleidekabine Sie gehen sollen. Ich kann sie nicht einstellen“

Sascha, seit 2010 eingetragener Mann, rein optisch ein Mann mit Vollbart und vieler Körperbehaarung.

Er wurde nicht eingestellt, weil er keinen verdammten Schwanz hat!!!!
Als ob man in der Umkleidekabine UNTER die Unterhose schaut, ob da auch wirklich ein Penis ist.
In die Frauenumkleide kann und darf und vor allem will er nicht. Er ist ein Mann, rein optisch und absolut vom Wesen.
In die Männerumkleide darf er also nicht weil er keinen Penis hat??? Aber sonst komplett männlich ist???

Und wieder einmal mehr wurde mein Mann zur Freakshow. Ich könnte heute noch heulen vor Wut.

Das ist die Diskriminierung, unter der unsere Partner leiden. Manche haben Glück wie eine liebe Freundin (MzF), die einen tollen Job hat, und auch sonst viel Glück im Leben bekam. Andere weniger, wie mein Mann.

Keiner der ihn einstellen mag, weil es eben mit der Umkleidekabine nicht passt? Wie hirnrissig ist denn das? Sollte es bei Arbeit nicht darum gehen, wie gut jemand arbeiten kann? Wie fleissig und zuverlässig jemand ist?
Diese Diskriminierung ist doch der Grund für die Seelischen Krankheiten. Diese Ablehnung, Zurschaustellung, Herabwürdigungen sind doch die Ursachen. Nur keine will das zugeben. Keiner sagt: Komm vorbei, ich will mir mal einen Transgender ansehen…

Denn diese Firma wurde vom AMS informiert, dass mein Mann einmal als geschlechtliches Mädchen geboren wurde. Sie WUSSTEN es und liesen ihn kommen, nur um ihm diesen Schlag zu verpassen.

Merken die Menschen nicht, was sie unseren Partner antun? Wollen sie nicht sehen, dass sie unsere Partner damit erneut in ein seelisches Tief katapultieren? Oder, was noch schlimmer ist, ist es ihnen egal?

Sascha hat Tage gebraucht um sich davon zu erholen. Und auch jetzt ist er noch nicht völlig auf dem Damm. Jeder Tiefschlag mehr sorgt dafür, dass es umso länger braucht, bis er sich erholt hat.
Er kann so vieles so gut. Er ist ein fleissiger Mann, zuverlässig. Und trotzdem, nur weil er FzM ist, wird er abgelehnt.
Ich finde das so traurig, so gemein und vor allem so ungerecht..
Eure Kerstin

Die Wahl der Worte…

Gestern kam eine befreundete Transfrau im Tv. Natürlich habe ich mir nachträglich den Bericht angesehen. Und Grundsätzlich bin ich stolz auf Christin, dass sie alles so gut geschafft hat. Ich finde es toll, dass Transgender kein Tabuthema mehr sind und durch Berichte in den Fokus gelangen. Irgendwann sind sie dann kein „totgeschwiegendes“ Thema mehr und werden zur Normalität. SUPER.. Ehrlich

Aber ich bin so derbe über eine Aussage der Reporterin gestolpert, dass mich das Ganze ja schon wieder ärgert…
Zitat: „Dank zusätzlicher Hormontherapie kann sie heute endlich als die Frau leben, die sie immer sein wollte.“
Warum ärgert mich nun dieser eine Satz?
Nun ja, ich habe mit vielen Transgendern gesprochen. Die wachen nicht eines Tages auf und WOLLEN plötzlich ein Mann sein oder eine Frau. Die WOLLEN nicht wie durch ein Beschluss auf einmal dem anderen Geschlecht angehören.
Man wird geboren und man IST

Mein Mann wurde mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren und war und ist aber schon immer ein Mann gewesen. In seiner ganzen Art, in seinem Gefühlsleben, in seiner Denkweise. Der hat das nicht einfach so beschlossen.
Es WAR und IST so. Das der Körper dazu nicht passt ist eine andere Nummer.

Christin ist nicht vor zwei Jahren morgens aufgewacht und hat beschlossen: „Ich finde das nun doof ein Mann zu sein, ich werde ne Frau“
Nein, sie fühlte, dachte und war schon immer ein Mädchen bzw eine Frau.
Das ihr dabei, wie sie es nennt, ein Ding zwischen den Beinen im Weg war, steht auch auf einem anderen Blatt.

Mit diesem einen Wort: „wollen“ also beschließen, wird der unter Umständen Jahrzehntelange Weg der Transgender mit einem Klacks weg gewischt. Klar, spricht die Reporterin über einen Leidensweg, in einem Satz ohne näher darauf einzugehen.
Der Weg wird wertlos gemacht, weil sie ja „beschließen“ das Geschlecht zu wechseln.
Dem ist aber nicht so, man passt es nur an.
Ist im Grunde ganz einfach erklärt. Stell dir vor du wärst mit einem dritten Arm, sagen wir mal am Bauch, geboren. Bist du deshalb kein Mensch? Und trotzdem passt du deinen Körper höchstwahrscheinlich dem Empfinden an. Der dritte Arm kommt ab. Denn er war, solang du dich erinnern konntest, schon immer im Weg.
Das ist kein Beschluss, das ist ein Empfinden, ein WAR, ein SEIN.

 

Die Hernienop

Nun ist es schon einige Zeit her, dass mein Mann an der Hernie operiert wurde.
Nun kann ich euch in Ruhe und mit. etwas Abstand darüber berichten.

Am 22.2. kam er also morgens um 8.30 Uhr im Josefspital in Wien an. Nüchtern versteht sich, da an diesem Tag die Op angesetzt war.

Nein, ich habe ihn nicht in die Klinik gebracht. Jedesmal wenn er ins Spital geht, und ich ihn hinbringe, hat es einen sehr bitteren Beigeschmack für uns, weil wir normaler Weise nie länger getrennt sind. Dann bekommen wir Tränen in die Augen beim Abschied. Diesmal wollte ich das nicht. Ich sagte ihm also, als er los ging: Wir sehen uns morgen.

Einige Zeit später bekam ich meine SMS mit der Etage, der Station und der Zimmernummer. Wir halten das immer so. Er ist ja nicht das erste Mal in einer Klinik gewesen. Noch einige Zeit später bekam ich eine SMS: Die OP wurde vorverlegt. Das fand ich im Grunde gut, da er das dann schneller hinter sich hatte. Um 14.30 Uhr rief ich dann auf der Station an und fragte, ob es denn schon etwas neues gäbe. Er läge im Aufwachraum war die Antwort.

Nun ja, dachte ich, da wird er noch ein Stündchen oder zwei sein, machst dich auf den Weg. Gedacht – getan. Angezogen, schliesslich war es in Wien sau kalt ( Minus!!! 18 Grad) und ab zum Bus. Ne Stunde sollte die Fahrt ins Spital dauern. Ich dachte noch bei mir, bis ich das alles gefunden hab, ist der Kerl sicher wach. Als ich dann im Spital ankam und die Station gefunden hatte war meine erste Frage natürlich: „Ist er schon da?“ Eigentlich witzig, denn ich hatte vergessen den Namen meines Verlobten zu erwähnen. Aber die Stationsschwester war so lieb mich nach diesem zu Fragen und meinte, er wäre noch im Aufwachraum. Obwohl keine Besuchszeit war durfte ich im Warteraum warten. Alle halbe Stunde fragte ich die Schwestern ob es denn etwas neues gäbe und immer die selbe Antwort: „Er ist noch im Aufwachraum“ Alle Stunde ging ich eine Rauchen und wenn ich hoch kam, fragte ich natürlich zu aller erst nach meinem Sascha. Es schien, als wollte mein Kerl sich schon im Aufwachraum ausschlafen. Und ich wartete.

Nun muss ich euch aber erzählen, dass diese Schwestern auf der Station 32 super waren. Sie waren geduldig mit meiner Ungeduld, haben ab und zu nach mir gesehen und waren immer freundlich, egal wie oft ich nachfragte. Ich hatte nie den Eindruck zu stören oder ihnen auf den Nerv zu gehen. Eine Schwester war dann letztendlich so lieb, mir zu erklären, welches Telefon klingeln würde, damit man Bescheid bekommt, dass mein Mann auf Station kommt. Und genau das klingelte auch etwa 20 Minuten später.

Und dann sah ich ein Bett und einen Oberkopf. Und nichts hielt mich mehr im Wartebereich. DAS war MEINER. Mir fiel eine Last von den Schultern. Auch wenn man im Gefühl hat, dass alles gut ist, macht man sich ja doch Sorgen und Gedanken. Ich bin ans Bett und das erste was ich sagte: „Diese Frisur kenn ich doch!“ Im Halbschlaf schaute mich mein geliebter Mann an und meinte nur erstaunt und erfreut: „Du bist da!“ bevor er dann wieder ein wenig wegdämmerte.

Ich begleitete ihn noch ins Zimmer. Eine halbe Stunde später fuhr ich dann Heim. Er schlief immer wieder ein und ich hatte gesehen, was ich sehen wollte, nämlich dass es ihm wirklich den Umständen entsprechend gut ging. Er hatte sechs Stunden gebraucht zum Wachwerden und ich brauchte dringend einen Kaffee und es war schon lange nach meiner Medikamentenzeit als ich zu Hause ankam.

Da ich es nicht gewohnt bin, ohne Hintergrundgeräusche im Bett zu liegen, hatte ich so meine Probleme mit dem Schlaf. Außerdem spürte ich, wie Sascha die Schmerzen plagten. So fuhr ich direkt am nächsten Morgen wieder ins Spital. (Wen interessieren schon Besuchszeiten???) Ich musste einfach sehen wie es ihm ging. Es hat sich niemand daran gestört, dass ich um halb elf schon im Spital war, statt um 14 Uhr zur offiziellen Besuchzeit. Sascha war total erledigt und hatte starke Schmerzen. Und auch hier wieder ein Lob an die Station 32. Er klingelte und es dauerte keine Minute bis eine Schwester kam. Er sagte er hat Schmerzen, und es dauerte weiter keine Minute bis er einen Tropf mit Schmerzmittel bekam. Wir kennen andere Spitäler, wo es gut und gern mal 10 Minuten braucht, bis überhaupt eine Schwester kommt beim Klingeln.

Er war noch sehr schwach und sehr müde. Statt einer Microchirugie, die begonnen wurde, wurde dann doch ein Bauchschnitt gemacht, weil der Darm bereits mit der Bauchwand verwachsen war. (Danke an all jene Chirurgen die die OP abgelehnt hatten. Daran seid IHR schuld) Der Darm musste vorsichtig gelöst werden, was beim offenen Schnitt einfacher zu machen ist. Dementsprechend hat Sascha drei kleine Schnitte und einen ca 20 cm langen Schnitt. Alles sauber getackert. Das sieht vielleicht aus mit den Tackern im Bauch.. Schmunzelt.

Das Schmerzmittel machte ihn müde. Aber gut, ich hasse Krankenhäuser ohnehin und bin nach eineinhalb Stunden heim gefahren.
Ich fuhr jeden Tag in die Klinik. Eine Stunde hin, eine zurück, bei zwischen Minus 12 und Minus 20 Grad. Für eineinhalb Stunden. Manche haben mich in der Zeit für verrückt erklärt. Für mich ist es selbstverständlich meinen Verlobten jeden Tag zu besuchen, wenn er im Spital ist. Ja, es war saukalt, ja, ich hatte einen Rheumaschub, ja, ich hab mir den Wadenmuskel angerissen. Ja, UND??? Da, genau am anderen Ende von Wien liegt mein Mann. Wo sollte ich sonst sein?

Nach ein paar Tagen kamen die Verbände schon ab und er behielt nur noch die Drainage. Er durfte sogar am zweiten Tag danach schon duschen. Und nun, so neugierig wie ich nun einmal bin, hab ich mir das Ganze mal angesehen. Und ich bin begeistert. Der Chirurg hat klasse Arbeit geleistet. Ich kenne es normal bei Sascha, dass die Wunderänder sich röten, er leichte Entzündungen bekommt. Aber genau das ist hier nicht passiert. Übrigens bis heute nicht. Sehr saubere Arbeit lieber Herr Chirurg.

Am 27.2. wurde Sascha dann entlassen. Mit der Drainage. Es hatte kaum noch nachgeblutet und es ging ihm soweit wieder gut. Ok, sitzen war blöd, aber mittlerweile machbar. Laufen konnte er nicht weit, aber weit genug. Liegen war eigentlich das größte Problem, weil er da die Tacker am meisten spürt. Jetzt geht auch das etwas besser. Zwei Tage später wurde ambulant dann auch die Drainage entfernt.

Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis Sascha halbwegs normal belastbar sein wird. Er wird nie mehr, mehr wie fünf Kilo tragen dürfen. Aber das kenne ich, ich darf das wegen meiner Hernie damals auch nicht. Ansonsten muss er in Zukunft immer einen Mesh-Implantat-Pass bei sich tragen.

Morgen kommen die Tacker aus dem Bauch. Ich weiß jetzt schon, dass ihm das echt weh tun wird. Aber danach steht der Heilung, auf die wir über ein Jahr warten mussten, nichts mehr im Wege.

Und dann passiert ein kleines Wunder

Und dann passiert ein kleines Wunder

Oft ist das Leben routiniert. Und manchmal gewöhnt man sich an Schmerzen und Absagen. So ging es meinem Verlobten sehr lange. Vor zwei Jahren ist er gestürzt. Seit dem hat er einen leichten Bandscheibenvorfall und eine Ischialgie. Seine ersten GA-Ops wurden trotzdem gemacht.

Weil er allerdings während der Hysterektomie aufgrund einiger Besonderheiten die sein Körper hat kurzzeitig tot war, mussten die Ärzte schnell handeln. Damit wurde eine Naht nicht so sauber und perfekt gemacht, wie es besser gewesen wäre.

Nein, ich gebe für die Folgen davon auf keinen Fall den Ärzten die Schuld. Sie haben das Leben meines Mannes vor alles andere gestellt und dafür bin ich dankbar. Sie haben alles richtig gemacht

In Folge bekam mein Sascha eine Hernie. Das ist ein Narbenbruch. Da er jedoch wegen der Bandscheibe und dem Ischias keinen Sport machen konnte, hat er zugenommen, statt abgenommen.
Nun ist es so gewesen, dass keiner mehr meinen Verlobten in Schräglage mit dem zusätzlichen Gewicht mehr operien wollte. Die Folge davon, ein zusätzlicher Bauchdeckenriss und eine Rektusdiastase.

Alles in allem geht jedoch die Hernie, die Rektustiastase und der Bauchdenkenriss, dadurch dass nichts mehr an seinem Platz ist, zusätzlich auf den Rücken. Jede Frau die einmal schwanger war, wird bestätigen, dass alles was vorne mehr dran ist, auf den Rücken geht.

So begann ein Teufelskreis. Mehr Schmerzen, noch weniger laufen, mehr Gewicht, noch weniger Optionen für eine OP, die alles wieder an seinen Platz rückt. Und ein Ende war nicht in Sicht.

Mit dem Mut der Verzweiflung schrieb Sascha einen Privatchirurgen an. Der sichtete die Unterlagen und Befunde.
Und sagte zu… Er wird Sascha operieren und das auf Krankenkasse.
Am Donnerstag den 22.02.2018 wird die OP sein.

Wenn alles gut geht, dann kann Sascha sich nach einigen Wochen wieder besser bewegen und damit abnehmen um die letzte angleichende Operation, den Penoidaufbau, zu erhalten.